In Ungarn hat sich das Studiensystem immer mehr den allgemeinen Anforderungen an ein europäisches Hochschulbildungssystem angenähert. In diesem Sinne erfolgten die Reformen des vergangenen Jahrzehnts und auch internationale Kooperationen wurden aus diesem Grund mehr und mehr ausgebaut. Vor allem die hohe Zahl an privaten Hochschulen, die einem die Möglichkeit zu internationalen Abschlüssen geben, zeugen von dieser Entwicklung. Ein gutes Beispiel ist die Central European University, die von dem amerikanischen Mäzen George Soros gegründet wurde. Ungarn gilt außerdem als Zentrum des Hochschulwesens und der Forschung in Mitteleuropa.
Studiensystem und Studienabschlüsse
In Ungarn unterscheidet man in erster Linie zwischen Universitäten und Hochschulen. An beiden Einrichtungen kann man ein Diplom erlangen, an Universitäten in fünf bis sechs Jahren, an Hochschulen in drei bis vier Jahren. Daneben gibt es außerdem eine so genannte Fachausbildung, die mit einem Studium an einer deutschen Fachhochschule vergleichbar ist. Obwohl die Abschlüsse in Ungarn immer mit einem Zusatz wie laude oder summa cum laude versehen sind, ist diese Bewertung eher unwichtig. Eine größere Bedeutung hat da schon die Tatsache an welcher Hochschule das Diplom erlangt wurde.
An vielen Einrichtungen ist das Studium bzw. die Ausbildung kostenlos, teilweise müssen aber auch Studiengebühren gezahlt werden, auf jeden Fall dann, wenn man sich für eine private Hochschule entscheidet. Sowohl die Universitäten als auch die anderen Hochschulen vergeben einen ersten universitären Abschluss. Die Abschlüsse reichen von Bachelor- bis hin zu Master-Abschlüssen. Promotionen sind nur an Universitäten möglich. Zu den kostenpflichtigen Studiengängen gehört z.B. das Medizinstudium an der Semmelweis-Universität. In jedem Jahr werden bis zu 120 Erstsemester für den deutschsprachigen Studiengang in der ungarischen Hauptstadt angenommen. Die Zahl der Bewerber liegt drei- bis viermal so hoch. Für den Studiengang müssen pro Studienjahr zwischen 8.800 und 10.600 Euro Gebühren gezahlt werden. Im Schnitt dauert das Studium, das sich an deutscher Fachliteratur richtet, sechs Jahre. Die meisten deutschen Studenten setzen allerdings ihr Studium nach dem Physikum in Deutschland fort. Das hat vor allem damit zu tun, dass die meisten deutschen Studenten zwar Grundkenntnisse der ungarischen Sprache erwerben, jedoch nicht genug Ungarisch lernen, um sich im klinischen Teil des Studiums ausreichend mit den Patienten verständigen zu können.
Abgesehen von praktischen Einheiten ist an den Hochschulen Frontalunterricht in den meisten Fächern die Regel. Die Lehre ist also stark verschult, und den Studenten bietet sich – etwa im Vergleich zu deutschen Universitäten – weit weniger die Möglichkeit zu selbständigem Arbeiten.
Die Anforderungen sind hoch und nach jeweils nur wenigen Wochen müssen immer wieder Prüfungen abgelegt werden. Das Abschneiden bei den verschiedenen Prüfungen entscheidet in vielen Fällen darüber, ob der Student ein Stipendium bekommen kann bzw. ob er Studiengebühren zahlen muss. Die Studienbedingungen sind aber im Allgemeinen gut. Die Lehrveranstaltungen finden in kleinen Gruppen statt, so dass auch ein persönlicher Kontakt zu den Professoren gewährleistet ist.
Anerkennung von Studienleistungen
Wer z.B. nach dem in Ungarn abgelegten Physikum nach Deutschland wechseln möchte, muss einen Antrag an das zuständige Landesprüfungsamt für Medizin und Pharmazie stellen. Normalerweise werden die in Ungarn erbrachten Leistungen im Medizinstudium in Deutschland ohne Probleme anerkannt. Wer den positiven Bescheid vom Landesprüfungsamt erhält, kann sich direkt an die gewünschte Hochschule im jeweiligen Bundesland wenden. Erleichtert wird die Anerkennung durch das European Credit Transfer System (ECTS). Sicher geht, wer vor dem Studienaufenthalt an einer ungarischen Hochschule mit seinen Professoren an der Heimatuniversität genau bespricht, welche Vorstellungen man hat und wie sich diese mit dem weiteren Studium in Deutschland vereinbaren lassen
Bewerbung an ungarischen Universitäten
In Ungarn zählt in erster Linie der Durchschnitt des Abiturzeugnisses. Ausländische Studenten müssen außerdem für die meisten Studiengänge ungarische Sprachkenntnisse nachweisen. Anders ist dies bei Medizinstudiengängen an der Semmelweis-Universität oder bei Studiengängen an Ingenieur- und Naturwissenschaftsfakultäten. Die Aufnahmeverfahren werden von den jeweiligen Hochschulen organisiert. Das bedeutet auch, dass die Bewerbungsunterlagen direkt an die Hochschule geschickt werden müssen, an der das Studium aufgenommen oder fortgesetzt werden soll.
Eingereicht werden müssen
- Kopie des Abiturzeugnisses
- detaillierter Lebenslauf
- Gesundheitszeugnis
- zwei Passbilder
- Sprachzertifikate für internationale Studiengänge, die nicht in ungarischer Sprache stattfinden, sonst eine Bescheinigung über ungarische Sprachkenntnisse.
Wer an der vor zwei Jahren gegründeten Andrássy-Universität studieren möchte, muss sich außerdem dem Auswahlverfahren stellen. Wie bereits in den ersten beiden Jahren sollen auch zukünftig nicht mehr als 75 neue Studenten pro Jahr immatrikuliert werden. Das soll die Qualität des Studiums an der ersten deutschsprachigen Universität in Ungarn sichern.
Sprachkenntnisse
Die ungarische Sprache zu lernen ist schwer, und da sie auf der Liste der wichtigsten Sprachen der Welt auch erst auf Platz 50 zu finden ist, bieten die meisten der ungarischen Universitäten zumindest für Austauschstudenten immer auch Kurse in englischer Sprache an. An der Semmelweis Universität in Budapest finden die Veranstaltungen des Medizinstudiums sogar teilweise in deutscher Sprache statt. Gleiches gilt auch für die Eötvös Loránd Tudomáyegyetem (ELTE), die auch in jedem Jahr ausländische Studierende anlockt. Das internationale Angebot kann aber auch zur Isolierung der Gaststudenten führen. Interessierten ausländischen Studenten bieten die Universitäten Ungarischkurse für Anfänger ohne Vorkenntnisse an. Dabei bieten die Sprachkurse auch noch verschiedene thematische Schwerpunkte wie Zeitgeschichte, Landes- oder Kulturkunde.
Wer an der Andrássy Gyula Deutschsprachige Universität Budapest studieren will, muss sich – zumindest über die Sprache – keine Gedanken machen. Dass bei der Gründung der Universität im Jahr 2002 entschieden wurde, in Deutsch zu lehren, hat mehrere Gründe. Deutsch ist in Ungarn nach Englisch die zweitwichtigste Sprache. Nicht nur die große deutsche Minderheit im Land hält die Sprache lebendig. Deutschland ist außerdem der wichtigste Handelspartner für Ungarn. Gerade diese Tatsache ist auch für viele der Studenten ein Argument, an der Andrássy Gyula Universität zu studieren.
Kosten und Finanzierung
Seit dem Wintersemester 1998/1999 ist das grundständige Studium in Ungarn für diejenigen Studenten gebührenfrei, die es zügig und erfolgreich absolvieren. Nach und nach wird die Finanzierung so aussehen, dass Langzeitstudenten immer mehr der allgemein anfallenden Kosten übernehmen müssen. Wie bereits erwähnt entscheidet das Abschneiden bei den verschiedenen Prüfungen in vielen Fällen darüber, ob die Studenten Anspruch auf Stipendium haben oder ob sie sogar Studiengebühren zahlen müssen bzw. wie viel sie zahlen müssen. Dies sichert den begabten und engagierten Studenten Stipendien zum Lebensunterhalt. Ausländische Studenten können ebenfalls Stipendien vom ungarischen Staat bekommen. Informationen dazu geben die ungarische Botschaft oder die Konsulate in Deutschland.
Lebenshaltungskosten
Die meisten ungarischen Studenten leben noch bei ihren Eltern. Wohngemeinschaften gibt es deshalb in den ländlicheren Gebieten kaum. Auch in Budapest sind sie eher die Seltenheit. Die beste und günstigste Möglichkeit beispielsweise in Budapest zu wohnen, sind die vielen Wohnheime, die über die gesamte Stadt verteilt sind. Abhängig von Lage und Komfort betragen die Mietkosten zwischen 150 und 400 Euro. Im Allgemeinen sind jedoch die Lebenshaltungskosten mit denen in Deutschland vergleichbar – vor allem in der Hauptstadt Budapest. Dafür sind jedoch die für Ungarn und gerade für die Hauptstadt typischen Bäder auch für Studenten erschwinglich und auch ein Muss. Gerade in kalten ungarischen Wintern sind die vielen Thermalquellen beliebter Treffpunkt. Neben den teilweise noch aus dem 16. Jahrhundert stammenden Bädern kann man sich auch bei einem Besuch in einem der vielen Kaffeehäuser ebenfalls in andere Zeiten versetzen lassen.
Visum und Krankenversicherung
Die Frage des Visums ist für deutsche Studenten seit dem 1. Mai 2004 eigentlich keine Frage mehr. Mit dem Beitritt Ungarns zur EU reicht für die Einreise und für einen Aufenthalt bis zu sechs Monaten der Personalausweis oder ein Reisepass. Wer länger bleibt, muss sich vor Ort in Ungarn um ein Studentenvisum kümmern, das man ohne Probleme bekommt, wenn man einerseits nachweist, dass man gegebenenfalls die Studiengebühren gezahlt hat und wenn man einen Zulassungsbescheid der Hochschule vorlegen kann.
Um auch in Ungarn Krankenversicherungsschutz in Anspruch nehmen zu können, sollte man sich bei seiner Krankenkasse in Deutschland den entsprechenden Auslandskrankenschein besorgen. Gut zu wissen ist allerdings, dass man als Ausländer in Ungarn erste Hilfe und Notfallbehandlungen kostenlos bekommt. Jede weitere Versorgung wird dann allerdings in Rechnung gestellt. Wer es verpasst hat, sich in Deutschland um die Krankenversicherung für Ungarn zu kümmern, kann dies bei einer ungarischen Krankenkasse in Ungarn nachholen. Dazu wird lediglich die Immatrikulationsbescheinigung (in ungarischer Sprache) benötigt, mit der man sich dann bei der örtlichen Krankenkasse meldet, auch dann ist man kostenlos versichert.