Auslandsstudium in Russland

Ein Studium in Russland ist nicht vergleichbar mit einem deutschen Studium. Teilweise scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Als Student wird man rund um versorgt – das bedeutet aber auch, dass ein Ausbrechen aus dem Normen nur schwer möglich ist. Selten ist es für die Studenten möglich, ihre Stundenpläne frei zu gestalten. Die Bindung zu den Dozenten und Kommilitonen wird dadurch natürlich gestärkt. Im Allgemeinen sind deutsche Studenten in Russland noch etwas Besonderes. Man ist nicht der tausendste Ausländer, wie anderswo in Europa. Als kleiner Exot hat man viele Vorteile, die sich vor allem in einer exzellenten Betreuung widerspiegeln. Natürlich ist in Russland auch alles etwas einfacher und weniger perfekt. Manche Gebäude sind heruntergekommen und auch die Ausstattung der Universitäten lässt viele Wünsche offen.

Noch ist das gegenwärtige Bildungssystem der Russischen Föderation durch zentralistische Züge geprägt. Unübersehbar ist aber auch, dass das frühere rigide Kommandoprinzip weitgehend gewichen ist und die Hochschulen in vielen Fragen nunmehr selbständige Entscheidungen treffen können. So können sich die Hochschulen mittlerweile eigene Hochschulordnungen geben. Außerdem können Kontakte zu ausländischen Hochschulen geknüpft werden, ohne die förmliche Erlaubnis vorgesetzter Ministerien einholen zu müssen. Dazu zählen auch die Aufnahme ausländischer Wissenschaftler, Graduierter und Studenten und die Berechtigung, Studiengebühren zu erheben.

Studiensystem

Die meisten Studiengänge haben eine Regelstudienzeit von fünf Jahren, wobei in den ersten beiden wie in Deutschland ein Grundstudium absolviert wird und in den darauf folgenden Jahren können sich die Studenten spezialisieren. Nach wie vor ist das Studium in Russland stark verschult und findet nach straff vorgegebenen Studienplänen statt. So ergeben sich für die Studenten klassenähnliche Verbände. Zum Abschluss des Wintersemesters und zum Ende des Studienjahres finden in sechs bis zehn Fächern Prüfungen (sessija) statt, die in der Regel mündlich abgehalten werden, wobei zwischen Testat (zacët) und Examen (ekzamen) zu unterscheiden ist. Das Studienjahr in Russland ist in Semester unterteilt, beginnt am 1. September und endet im Juni.

Studienabschlüsse

Im September 2003 ist Russland dem Bologna-Prozess beigetreten und hat angekündigt, die entsprechende Studienstruktur bis 2010 im Wesentlichen umsetzen. Bislang gibt es eigentlich nur einen Abschluss, der in etwa dem deutschen Diplom entspricht.

In zunehmendem Maße – und auch im Hinblick auf die Ansprüche des Bologna-Prozesses – werden die Abschlüsse Bakalavr und Magister eingeführt, die den internationalen akademischen Graden Bachelor und Master entsprechen. Ein Master- bzw. Magisterabschluss ist in den meisten Disziplinen noch ungewöhnlich.

Diplom: das in der Regel fünfjährige Studium schließt mit dem Diplom spezialista ab. Die Diplomphase umfasst das letzte Studienjahr. Die Anfertigung der Diplomarbeit muss von einem promovierten Wissenschaftler betreut werden und wird in enger Absprache mit Betreuern und Arbeitsgruppe durchgeführt. Ähnlich dem Rigorosum in Deutschland muss die abgeschlossene Diplomarbeit verteidigt werden.

Aspirantur: Der Stellenwert der Aspirantur ist dem der Promotion in Deutschland ähnlich. Voraussetzung ist das Diplom als Nachweis über ein abgeschlossenes Studium. Über die Dauer von drei Jahren wird eine wissenschaftliche Arbeit angefertigt, die nach Annahme durch die Fakultät in einer mündlichen Prüfung verteidigt werden muss. Die Protokolle und Atteste werden anschließend der Obersten Attestskommission in Moskau zur Zustimmung vorgelegt. Nur diese kann den Grad des Kandidaten der Wissenschaften (Kandidat nauk) verleihen.

GUS-Gemeinsamkeiten: Trotz der eigenstaatlichen Entwicklung der Länder der ehemaligen Sowjetunion gibt es auf dem Gebiet der Bildungspolitik noch einen gewissen Konsens. Man hat sich darauf verständigt, die Gemeinsamkeiten weiter zu pflegen. Daher gelten viele Angaben zur Russischen Föderation auch für andere Staaten der GUS.

Vollstudium oder Teilstudium?

Wer einen Auslandsaufenthalt planen will, sollte sich zunächst überlegen, was der Aufenthalt einem genau bringen soll. Möchte man nur eine bestimmte Zeit im Ausland verbringen oder will man seine gesamte Studienzeit im Ausland verbringen. Entscheidet man sich für ein Teilstudium, bietet es sich an, das Studium an einer deutschen Hochschule zu beginnen und erst dann ins Ausland gehen, wenn man einen groben Überblick über die Studienfächer gewonnen hat – also am besten ab dem dritten Semester bzw. nach dem Grundstudium. Alternativen könnten Aufbau- oder Vertiefungsstudiengänge im Ausland sein bzw. Semesterferienkurse. Wer sich für das Teilstudium an einer ausländischen Hochschule entscheidet, sollte sich für die Zeit des Auslandsstudiums beurlauben zu lassen. Von der Möglichkeit einer Exmatrikulation wird abgeraten, weil dadurch z.B. der Studienplatz an der deutschen Hochschule gefährdet wird und die Zugehörigkeit zur Krankenversicherung verloren geht. In jedem Fall empfiehlt es sich, vor einer Entscheidung beim Studentensekretariat und bei der Krankenversicherung genaue Informationen einzuholen.

Eine weitere Form des Auslandsaufenthalts ist die Ableistung von Praktika, die bei manchen Studiengängen obligatorischer Bestandteil des Studiums ist.

Wer plant, später im Ausland zu arbeiten, für den kann ein Vollstudium an einer ausländischen Hochschule Vorteile haben. Wer sich darüber noch nicht völlig im Klaren ist, der sollte bedenken, dass sich bei einem Berufszugang in der Bundesrepublik Deutschland bei Tätigkeiten im öffentlichen Bereich und bei bestimmten Berufsgruppen Schwierigkeiten und Probleme bei der Anerkennung von Abschlüssen und bei der Zulassung zu Berufsfeldern ergeben können. In Bezug auf eine spätere Berufstätigkeit bei international ausgerichteten Unternehmen und Organisationen dürften sich keine Nachteile ergeben.

Wer ein Vollstudium im Ausland plant, um dem Numerus Clausus in Deutschland zu entgehen, muss damit rechnen, dass auch an ausländischen Hochschulen in diesem Fach Zulassungsbeschränkungen bestehen. Auch bei sonstigen Fächern, die an deutschen Hochschulen Zulassungsbeschränkungen unterliegen, ist im Ausland oft der Zugang erschwert.

Anerkennung von Studienleistungen

Die Anrechnung von in Russland erbrachten Studienleistungen in Studiengängen, die mit einer Hochschulprüfung abschließen, nehmen die deutschen Hochschulen vor, an denen das Studium fortgesetzt werden soll. Die Hochschulen sind ebenfalls zuständig für die Anrechnung von Prüfungsleistungen im Hinblick auf eine Promotion. In jedem Fall ist es empfehlenswert, sich vor dem Auslandsaufenthalt mit den Professoren an der Universität in Deutschland darüber zu verständigen, welche Studienleistungen im Ausland erbracht werden können und sollen. Auch während des Aufenthalts schadet es nicht, Kontakt zur Universität in Deutschland zu halten.

Bewerbung an russischen Universitäten

Das Sekundarschulabschlusszeugnis stellt für russische Studenten keine allgemeine Hochschulzugangsberechtigung dar. Die Russische Regierung unternimmt aber zunehmend Schritte zur Durchsetzung eines Zentralabiturs (EGE – Edinyi Gosudarstvennyj Ekzamen), vergleichbar dem deutschen Abitur bzw. dem französischen baccalauréat, das direkt zum Hochschulzugang berechtigt. Zurzeit ist eine Aufnahmeprüfung an allen Hochschulen in der russischen Föderation obligatorisch, die an der jeweiligen Hochschule abgelegt werden muss.

Nicht allgemein verbindlich geregelt ist der Zugang von ausländischen Studenten zu den russischen Hochschulen. Da es keine zentrale Informationsstelle gibt, empfiehlt es sich, frühzeitig Kontakt mit dem Auslandsamt der jeweiligen Hochschule aufzunehmen.

Nach Prüfung der Unterlagen erteilt die Hochschule die Zulassung und fordert die Studiengebühren ein (dies gilt nicht für den Austausch über den DAAD). Mit der Zulassung erhalten Sie eine Einladung für das Studentenvisum, das dann in einer der konsularischen Vertretungen der Russischen Föderation in Deutschland beantragt werden kann.

Ausländische Studienbewerber brauchen bei einem Vollstudium nicht an den Eingangsprüfungen teilzunehmen. Die Bewerbung um einen Studienplatz erfolgt direkt bei den Dekanaten für internationale Zusammenarbeit und Betreuung ausländischer Studierender der Universitäten und Hochschulen. Auf eine formlose Anfrage erhalten Sie vom Dekanat den Bewerbungsantrag zugeschickt.

Nötig sind neben dem Bewerbungsantrag

  • das übersetzte und beglaubigte Abiturzeugnis
  • ein übersetztes und beglaubigtes Gesundheitszeugnis
  • ein Sprachzeugnis
  • einen in russischer Sprache verfasster Lebenslauf

Die Bearbeitung der Bewerbung um ein russisches Stipendium erfolgt im Ministerium für Bildung: http://www.ed.gov.ru

Die Bewerbung für ein Teilstudium wird ebenfalls direkt an die Hochschule gesandt. Folgende Bewerbungsunterlagen sind notwendig:

  • einen formlosen Antrag
  • das übersetzte und beglaubigte Abiturzeugnis
  • übersetzte und beglaubigte Aufstellung der bisher erbrachten Studienleistungen
  • Lebenslauf
  • die Motivation
  • einen Nachweis der Kenntnis der russischen Sprache

Nach Prüfung der Unterlagen erteilt die Hochschule die Zulassung und fordert die Studiengebühren ein. Mit der Zulassung erhalten Sie eine Einladung für das Studentenvisum, das in einer der konsularischen Vertretungen der Russischen Föderation in Deutschland zu beantragen ist.

Studiengebühren

Das Hochschulstudium wird in immer stärkerem Maße gebührenpflichtig. Dies betrifft auch und vor allem ausländische Interessenten. Es besteht keine einheitliche Regelung über die Höhe der Studiengebühren. In einem Vertrag (kontrakt) werden der Betrag und die Gegenleistungen der Hochschule festgelegt. Dies sollte im Voraus ausgehandelt werden. Sofern möglich, empfiehlt sich ein Besuch der Hochschule im Vorfeld des Studienaufenthaltes. Die Leistungen der Hochschule enthalten in der Regel Unterkunft, Verpflegung, Sprachkurse, Zugang zu den Bibliotheken etc. Die Studiengebühren schwanken erheblich von Universität zu Universität und sogar von Fach zu Fach. Die Spanne reicht von $1.000,- bis zu $8.000,- pro Studienjahr; das Mittel liegt jedoch bei $2.500. Genauere Informationen erteilen die Hochschulen bzw. die Fakultäten. In den Geisteswissenschaften betragen die Studiengebühren für Studenten pro Jahr etwa 1.000 bis 2.000 US-Dollar und für Graduierte 1.500 bis 2.500 US-Dollar. Das Studium der Naturwissenschaften, insbesondere das der Medizin, ist teurer. Hier können für Studenten Gebühren bis zu 3.500 US-Dollar anfallen und für Graduierte bis zu 5.000 US-Dollar. Die Tendenz bei den Studiengebühren ist nach wie vor steigend.

Sprachkenntnisse

Grundkenntnisse der russischen Sprache sind für einen Aufenthalt oder ein Studium in Russland fast unerlässlich. Bereits vor Beginn des Studiums müssen die sprachlichen Voraussetzungen so gut sein, dass ein ausreichender Wortschatz an Fachbegriffen eine mühelose Teilnahme an den Lehrveranstaltungen ermöglicht. Auch für die Alltagsbewältigung ist sprachlich adäquates Ausdrucksvermögen unerlässlich. Sprachkurse für Anfänger und Fortgeschrittene werden an den deutschen Universitäten mit Slavistik-/Russistik-Instituten angeboten sowie am Russicum – Landesspracheninstitut Nordrhein-Westfalen:

Lebenshaltungskosten

Nach Erfahrung von Studierenden muss von einer Orientierungssumme von EUR 350,- bis EUR 700,- pro Monat ausgegangen werden (ohne Studiengebühren). In den großen Metropolen liegt der Betrag etwas höher.

Grundsätzlich sind Studenten in Studentenwohnheimen untergebracht oder aber sie leben bei ihren Eltern, sofern sie in derselben Stadt studieren. Anfänger wohnen zumeist in einem so genannten Block mit drei bis vier Personen pro Zimmer. Je älter der Student wird, desto angenehmer wird für ihn die Unterbringung. Im fünften Studienjahr kann es vorkommen, dass er nur noch mit einem weiteren Kommilitonen sein Zimmer teilen muss. Aspiranten haben in der Regel ein Einzelzimmer.

Der Standard der Wohnheime liegt jedoch fast immer weit unter dem, was deutsche Studenten aus ihrer Heimat gewohnt sind. Die Unterbringungskosten sind in den Studiengebühren enthalten. Auf dem freien Wohnungsmarkt beträgt die Miete für eine 1-Zimmerwohnung zwischen ca. EUR 100,- und EUR 300,-. Es gibt spezielle Ausländerwohnheime, die ein gewisses Maß an Komfort zu zivilen Preisen bieten.

Visum und Krankenversicherung

Für die Ausstellung eines Visums wird die Einladung der betreffenden Hochschule über die zuständige russische Innenbehörde (OVIR) mit dem Aufenthaltszweck „uch eba“ (Studium) benötigt. Mit dieser Einladung kann beim zuständigen russischen Konsulat in Deutschland ein Visum zur mehrfachen Ein- und Ausreise mit einer Gültigkeitsdauer von bis zu einem Jahr beantragt werden. Es kommt auch vor, dass die Konsulate ein solches Visums nur mit einer Gültigkeitsdauer von bis zu 3 Monaten ausstellen – in diesem Fall erfolgt die Umwandlung in ein Jahresvisum im Lande.

Genaue Informationen sind bei der Konsularabteilung der Russischen Botschaft erhältlich: http://www.russische-botschaft.de

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